Geschichte und Gegenwart der kirchlichen Bibliotheken in Schlesien


1. Hintergrund der Entstehung von kirchlichen Bibliotheken
Eine der Grundaufgaben der Kirche ist der Dienst am Wort. Den besonderen Wert hatte das geschriebene Wort und deshalb gründete man schon im Altertum bei den Klöstern Büchereien. Die Bibliothekstätigkeit ist vom Anfang an mit der Kirche verbunden.
Auch in Schlesien gab es eine Menge von solchen klösterlichen Bibliotheksschatzkammern. Doch erst im 19. Jahrhundert, nach dem Einführen der Schulpflicht, gibt es die Möglichkeit die Bücher für die breite Masse der Gläubigen zugänglich zu machen.
Die preußische Regierung versuchte die Einflüsse der katholischen Kirche zu beschränken. Das zwingte zur engen Zusammenarbeit von katholischen Kreisen. Im 19. Jahrhundert entstehen in Preußen zahlreiche Institutionen und Vereine, deren Ziel die Bewahrung und Vertiefung der Weltanschauung, die Identitätserweckung und das präsente Auftreten im politischen Leben ist.
Auf Initiative katholischer Intellektuellen entsteht 1845 in Bonn ein Verein zur Verbreitung der katholischen Presse und Bücher. Zum Patron dieses Vereines wurde der Heilige Karl Borromäus, ein hervorragender Kirchenreformator, auserwählt.

2. Die Borromäusbibliotheken.
In einigen Pfarrhäusern und so manchem Bücherregal kann man noch Bücher aus der Vorkriegszeit finden, die den Stempel Borromäusbibliothek tragen. Denn auch in Schlesien gab es Bibliotheken, die vom Borromäusverein betreut wurden. Man konnte günstig Bücher kaufen und die ehrenamtlichen Bibliothekare zu Schulungen in die Bonner Borromäuszentrale schicken. Erzbischof Nossol erzählte, dass die ersten Bücher, die er in der Kindheit las, Bücher aus der Borromäusbibliothek in Broschütz waren.


3. Katholische Volksbibliotheken
Außer der Pfarrbibliotheken des Borromäusvereins, gab es auch die sog. Katholischen Volksbibliotheken, die Vorläufer der zeitgenössischen öffentlichen Bibliotheken waren. Z.B. die erste Volksbibliothek (nicht kirchlich) wurde am 10. Juli 1987 in Kattowitz eröffnet. In Schlesien gab es auch polnische Büchereien, die von der im Jahr 1880 in Posen gegründeten Gesellschaft der Volksbibliotheken, betreut wurden. Diese Gesellschaft unterstützte polnische Bibliotheken in ganz Preußen, aber auch die polnische Emigration in Deutschland. Sie war in Schlesien bis 1939 tätig.

4. Versöhnungsbibliothek
Es war etwas ganz normales, dass in den oberschlesischen Dörfern Bücherein mit deutscher und polnischer Literatur vorrätig waren.
An diese fast 150jährige fruchtbare Tätigkeit der Bibliotheken in Oberschlesien möchten die sogenannten Caritasbibliotheken anknüpfen.
Der Entstehungsgeschichte ist sehr prosaisch. Im Jahre 1990 suchte die Bonner Regierung nach Partnern, um die Emigrationswelle aus Schlesien zu stoppen. Es wurde ein Programm Hilfe zum Bleiben entwickelt. Man war sich dessen bewusst, wie gefährlich und kompliziert die Situation in Oberschlesien ist. Es wurde deshalb von Anfang an klar, dass jegliche Hilfe auch die zugewanderten Bevölkerung dienen soll. Als glaubwürdigster, neutraler und apolitischer Vermittler konnte nur die Kirche dienen, und vor allem die Institution der Caritas. In dem geführten Gesprächen, erinnerte Pfr. Globisch, dass die Caritas dem ganzen Menschen dienen möchte, sowohl dem Körper, wie auch dem Geist. Wir brauchen nicht nur medizinische Geräte und Medikamente, aber nach den Jahren der nationalsozialistischen und kommunistischen Diktatur auch gute Literatur für Kinder, Jugendliche und die ältere Generation.
Als Voraussetzung von Bildung eines Netzwerkes der Caritasbibliotheken war die Zustimmung der Deutschen auf deren Zweisprachigkeit. Die Bestände der Caritasbibliotheken müssen für beide nationale Gruppen zugänglich sein. Sie sollte auch den literarischen Reichtum der Polen und Deutschen darstellen.
Dadurch nahmen die Caritasbibliotheken auch die Versöhnungsfunktion ein.
Als zweisprachige Bibliotheken (deutsch-polnisch) möchten sie als eine Brücke, die die polnische und deutsche Gemeinschaft in Schlesien verbindet, dienen.
Ein wunderschönes Beispiel stellen die Bücherbusse: auf einer Seite sind polnische Bücher ausgelegt und auf andere die deutschen.

5. Die Gegenwart der Caritasbibliotheken.
Das Verbreiten der Idee von Caritasbibliotheken bei den Pfarrern in Jahren 1996-98 hatte mit der Bildung von solchen Bibliotheken, vor allem in Oppelner Diözese, gewirkt. Alle wurden mit neuen Beständen (Bücher, Kassetten) und manche auch mit neuen Bibliotheksgeräten (Beuthen, Gleiwitz, Neisse, Ochotz, Oppeln-Grudschütz, Kamnig, Broschütz) ausgestattet.
Das alles wurde in ein Computerdatenbank eingeführt. Deshalb kann man zu jeder Zeit in dem Büro der Zentralbibliothek in Oppeln prüfen, ob ein gesuchtes Buch in der erwünschten Filiale sich befindet. Am Jahresende wird ein Tätigkeitsbericht der Bibliotheken erstellt.
Ab September 1995 erscheint auch ein Biuletyn Bibliotek Caritas (Bulletin der Caritasbibliotheken), wo Hilfsmaterialein für die Bibliothekare zu finden sind. Man führt auch die Chronik der Zentralbibliothek.
Die Caritasbibliotheken arbeiten auch mit der Öffentlichen Woiwodschaftsbibliothek in Oppeln eng zusammen. Diese Bibliothek macht kostenlose Schulungen für die Bibliothekare der Caritasbibliotheken. Die Caritasbibliothek dagegen stellt ihre Tätigkeit auf Seminaren und in Zeitschriften der Woiwodschaftsbibliothek.
Außer der Zusammenarbeit mit der Woiwodschaftsbibliothek, gibt es auch solche mit verschiedenen öffentlichen und DFK-Bibliotheken.
Ab 9.Mai 1995 sind die Caritasbibliotheken Mitglied des Bundes der Kirchlichen Bibliotheken FIDES (Federacja Bibliotek Koœcielnych FIDES).
Seit vielen Jahre werbt in der Adventszeit die Zentralbibliothek in Oppeln für die Durchführung des Tages des guten Buches. Diese Initiative soll die schlesische Bevölkerung zu der Notwendigkeit, die guten Bücher zu lesen, überzeugen.